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Freitag, 13. Februar 2015

1. Stadtrat Jens Bolze zum Thema „Rathaus“

Offener Brief des Planungsdezernenten an alle am Thema Rathaus Interessierten!  

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
in den letzten Tagen und Wochen haben Sie viel gelesen rund um das Thema Rathaus - manch' Wahres, aber leider auch einiges Verfälschtes. Heute möchte ich Ihnen gerne meine Sicht der Dinge darstellen.

Warum habe ich nach meiner öffentlichen Präsentation der Arbeitsgruppenergebnisse am 22.01.2015 bislang geschwiegen?

Nun, eigentlich empfinde ich es vor allem als parteiloser Wahlbeamter als Gebot der politischen Rücksichtnahme, Fairness und Unparteilichkeit, wenn ich mich aus dem aktuellen  Wahlkampfgetöse zur Bürgermeisterwahl  – wohlgemerkt einer Personenwahl für die sechs nächsten Jahre - heraushalte.  
Diese Neutralität versuche ich weiterhin zu wahren, allerdings muss ich aktuellen Fehlentwicklungen in der Kommunikation rund um die Expertengruppe Rathaus und ihres erarbeiteten Ergebnisses als Initiator und Moderator in aller Deutlichkeit entgegentreten.

Wie leider zu befürchten war,  soll die „Viernheimer Rathausfrage“ ganz offensichtlich als Wahlkampfthema genutzt werden. Dies stellt aus meiner Sicht ein gegenüber der Bürgerschaft – also Ihnen -  unverantwortliches  Ansinnen dar und verkennt insgesamt die Bedeutung der Angelegenheit.

Egal wie die persönlichen Präferenzen bei der Rathausfrage gelegt werden. Tatsache ist, dass das Geld fehlt!  Kalkulierte jährliche Belastungen zwischen 570.000 bis über 1 Million Euro pro Jahr  lassen erkennen, dass die Realisierung jeder Rathaus-variante sehr bedeutende Auswirkung auf Liquidität und Schuldenstand  haben wird. Betrachtet man einen Zeitraum von 80 Jahren wird dies noch deutlicher.  

Nicht nur die heute entscheidende Generation, nein, auch künftige Generationen werden über Jahrzehnte hinweg neben den finanziellen auch die qualitativen  Auswirkungen der anstehenden Entscheidung zu tragen haben. Die Entscheidung über die Zukunft des Viernheimer Rathauses wird unzweifelhaft die Stadt auf Jahrzehnte hin beeinflussen.

Damit verbietet sich aus meiner Sicht von vornherein, das Thema Rathaus zum Streitobjekt einer Wahl zu erheben.

Was für eine verfahrene Situation!

Zu meinem Amtsantritt im August 2013 habe ich eine extrem verfahrene Situation rund um das Thema Rathaus vorgefunden:

Ein unbestritten sanierungsbedürftiges Rathaus, einen – vom Bürgerwillen Neubau abweichenden - Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Sanierung, eine zu Recht erfolgte kritische Hinterfragung mit dem Wunsch nach Alternativen.
Gespräche zu diesem Thema zeigten mir deutlich, dass aus den politischen Fraktionen entweder nichts Konkretes zu erfahren war, oder offenkundig nicht miteinander vereinbare Positionen vorlagen.  Drei Fraktionen -  drei Favoriten und auch die Diskussion innerhalb der Fraktionen definitiv uneinheitlich!

Was also nun tun?  Was hätten Sie getan?

Ich habe Anfang 2014 den Vorschlag unterbreitet,  in einem gemeinsamen, über-parteilichen  Kontext  alle vorliegenden Informationen neu zu betrachten und zu bewerten, um sodann für die städtischen Gremien eine Empfehlung zu erarbeiten.
Ich betone – eine Empfehlung!  Es ging nie darum, eine Entscheidung zu treffen.

Selbstverständlich wurden von mir alle drei Fraktionen (SPD, CDU, Grüne)  um Mitwirkung gebeten. Die anfängliche Mitwirkungsbereitschaft des CDU-Fraktionsvorsitzenden hielt indes nicht lange an.  
Die CDU hat sehr schnell – Sie konnten dies der Presse entnehmen -  ihre Teilnahme an diesem der Sachlichkeit und Objektivität verpflichteten Arbeitsprozess verweigert.
Ob diese Verweigerungshaltung dem Anspruch nach politischer Verantwortlichkeit gegenüber der Bürgerschaft gerecht wird, darüber mögen andere entscheiden!

Mittlerweile wird die Expertengruppe von der CDU als geheime Arbeitsgruppe aus SPD und Grünen betitelt.  Dies ist Unsinn!  Für ein derartiges Konstrukt hätte ich mich als parteiunabhängiger Wahlbeamter und zuständiger Dezernent weder zur Verfügung stellen können, noch wollen.

Für die Arbeit der Expertengruppe spielten neben der Finanzierbarkeit eines Rathauses  vor allem Sachkriterien wie Dienstleistungsqualität, Funktionsfähigkeit und Städtebau eine wesentlich entscheidendere Rolle – zum Wohle der Stadt und zum Wohle der Bürgerschaft. Persönliche Vorteile oder Favorisierungen sollten hierbei keine Rolle spielen.   
An mich gerichtete Aufforderungen zur persönlichen Positionierung in der Rathausfrage werde ich bewusst nicht nachkommen.  Ich habe doch nicht die Expertengruppe ins Leben gerufen und gemeinsam mit allen an einer Mitwirkung willigen Akteuren 10 Monate intensiv und akribisch an einer Versachlichung gearbeitet bzw. nach methodischen Kriterien eine Empfehlung aufbereitet, um diese dann durch ein persönliches Statement zu torpedieren.

Ich stehe uneingeschränkt zu der Empfehlung der Expertengruppe, welche einen Weg, eine Perspektive für die Zukunft aufzeigt und Sofortmaßnahmen einfordert.

Die Arbeit der Expertengruppe!

Keine zwei Tage nach der öffentlichen Präsentation der Ergebnisse am 22.01.2015 gab es erste Kommentierungen, Wertungen,  Interpretationen insbesondere von jenen, welche bewusst in der Arbeitsgruppe nicht mitgewirkt haben. Jüngst wurde das Verfahren gar als „Zinnober“ tituliert -  also als etwas, was wertlos und unsinnig sei.

Die aus Fachleuten der Verwaltung und politischen Vertretern bestehende Gruppe  hat u.a. auf der Basis von 30 Arbeitsaufträgen und den daraus resultierenden Ergebnissen die Faktenlage und Möglichkeiten zum Rathaus gesichtet, bewertet und methodisch über eine Kosten-Nutzwert-Analyse verarbeitet. Dabei wurden sowohl quantitative Kriterien (Kosten) als auch qualitative, sachliche Kriterien (Dienstleistungsqualität, Funktionsfähigkeit und Städtebau) über insgesamt fünf Varianten gelegt.

Zwei Varianten – darunter auch die Variante „Nur Miete“ -, welche immer noch als Alternativen sehr präsent in den Hinterköpfen schlummerten, wurden in Folge aus der weiteren Betrachtung  ausgeschlossen.
Warum? Sie  wurden schlicht dem Qualitätsmerkmal Bürgerkommune nicht gerecht.

Für die drei ernst zu nehmenden Varianten „Sanierung“, „Neubau Innenstadt“ und „kleines Behördenzentrum am Standort Stadtwerke“ wurde eine weitergehende,  perspektivische Auseinandersetzung empfohlen.  Das Ergebnis in Kürze:

  1. Die Sanierung des Bestandsgebäudes landete auf Platz 3 einer insgesamt sehr sachlichen Bewertung. Damit wurde diese Variante weiterhin als ernst zu nehmende Alternative bestätigt. Allerdings ist diese Variante auch mit Einschränkungen belastet.
  1. Der Neubau eines Verwaltungsgebäudes am Standort Stadtwerke (Behördenzentrum) bei gleichzeitigem Verbleib kundenintensiver Verwaltungsstellen in der Innenstadt (Beispiel: das Bürgerbüro).
Hoppla - das Rathaus nicht in der Stadtmitte! Eine mutige Variante – sicherlich, aber wirtschaftlich ziemlich attraktiv und mit guten Noten bei den Sachkriterien.

Und natürlich

  1. ein Neubau in der Innenstadt !  Quasi das Rundum-Sorglos-Paket insbesondere in Bezug auf alle Sachkriterien! Leider nicht so sorglos, betrachtet man die Kostenseite!

  1. Da man die Augen nicht vor der gegenwärtigen und in naher Zukunft kaum veränderlichen Finanzlage  verschließen kann, wurden zudem  Sofortmaßnahmen im bestehenden Rathausgebäude eingefordert.

Damit wurde erstmalig für die Gremien eine an Fakten orientierte und inhaltlich nach-vollziehbare sachliche Bewertungsgrundlage geschaffen, um losgelöst vom sogenannten Bauchgefühl diese schwierige Entscheidung guten Gewissens treffen zu können.

Bürgerbeteiligung und meine Bitte an Sie!

Sie verstehen sicherlich, dass ich es nicht zulassen kann, wenn die aufwendige und zielorientierte Arbeit, respektive die umfänglichen Arbeitsergebnisse, schlecht oder nieder geredet sowie Ergebnisse und  Aussagen seziert, extrahiert oder pointiert zu eigenen Wahlkampfzwecken umgedeutet werden.

Nur im Ganzen macht das Informations- und Empfehlungspaket Sinn. Nur ein objektiver Umgang mit allen Informationen und eine ergebnisoffene Diskussion mit der Bürgerschaft werden der Bedeutung des Themas gerecht.

Viernheim ist Bürgerkommune.  Alle Aktivitäten und künftige Handlungsmaxime sind auf das Qualitätsmerkmal “Bürgerbeteiligung“ hin ausgerichtet – und das ist sehr gut so!

Die Expertengruppe hatte deshalb auch immer die von allen an einer Mitwirkung willigen Akteuren als extrem wichtig eingestufte Beteiligung der Bürgerschaft im Blick. Zum Mitwirken und Entscheiden braucht es aber Alternativen, und verlässliche Vergleichsparameter – alles andere macht wenig Sinn. Dazu muss in der Tat noch etwas nachgearbeitet werden.
Eine sachgerechte und den Bürger – also Sie – wirklich ernst nehmende Bürgerbeteiligung in der Rathausfrage kann ich mir nur über die Darstellung von  Alternativen und Szenarien vorstellen.  
Ich frage mich: Worüber soll der Bürger entscheiden, wenn nur eine Variante offeriert und präferiert wird? Ich verstehe diese Einstellung der CDU  nicht!  Man möge mir erklären, wie das zusammenpasst.

In der Presse der letzten Tage las ich mitunter Fehlinformationen zum Thema, zuletzt erfolgt mit einer Würdigung zu den Besucherströmen im Rathaus.
Ich möchte nicht mutmaßen müssen, ob hier womöglich Verängstigung und Panikmache Motivation oder Ziel der getätigten Aussagen waren. Dies wäre Ihnen – der Bürgerschaft – gegenüber sehr unfair – oder wie sehen Sie das?

Es sind wirklich viele Informationen und ich kann nicht auf jede Verlautbarung korrigierend eingehen. Deshalb bitte ich Sie:

Verschaffen Sie sich einen eigenen Eindruck über Vorgehen, Arbeitsergebnisse und Empfehlungen der Arbeitsgruppe, allesamt öffentlich bereitgestellt im Internet unter

Bitte vertrauen Sie in der Angelegenheit nicht interessensgesteuerten Wertungen!
Lassen Sie sich nicht verunsichern durch eigenwillige Interpretationen des Arbeits-berichtes.

Es liegt mir weiterhin fern, eine Wahlkampfbeeinflussung vorzunehmen – wiewohl ich annehme, dass dieser Vorwurf nicht lange auf sich warten lassen wird -  aber Fakten sind Fakten und Wünsche und Träume sind eben …  Wünsche und Träume!

Gesucht wird eine Lösung für ein finanzierbares Viernheimer Rathaus – mit gleichzeitiger
Erfüllung hoher Ansprüche hinsichtlich Dienstleistungsqualität für den Bürger, Funktionsfähigkeit und Städtebau.

Wir sind mit der Arbeit der Expertengruppe auf dieser Suche einen deutlichen Schritt vorangekommen, auch im Interesse einer aus meiner Sicht so unerlässlichen - aber dann bitte auch gehaltvollen – Beteiligung von Ihnen allen.
Immerhin ist das Rathaus IHR Haus!

Ich plane im  April dieses Jahres eine weitere öffentliche Information und Präsentation von Vorgehensweise und Ergebnissen der Expertengruppe. Bei Interesse melden Sie sich doch einfach bei mir – ich würde mich freuen, Sie dann persönlich begrüßen zu dürfen.

Hochachtungsvoll, Ihr
Jens Bolze, 1. Stadtrat